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#116

„Der Sieg des Bürgerthums …“

Flugblatt von 1832

Nach Hambach war das Wilhelmsbader Fest vom 22. Juni 1832 eines der bedeutendsten politischen Volkfeste in Deutschland. Folgt man den detaillierten Aufzeichnungen des Hanauer Musiklehrers und Geschichtsforschers Johann Daniel Wilhelm Ziegler (1809-1878) kamen an dem Tag in den Kuranlagen Wilhelmsbad zwischen 8.000 bis 10.000 Menschen zusammen, um den Freiheitsrechten Ausdruck zu verleihen. Hauptredner waren Karl Heinrich Brüggemann, Theodor Reh, Friedrich Wilhelm Schulz, Georg Fein und Wilhelm Sauerwein, der für sein „ABC-Buch der Freiheit“ bekannt wurde.

Es hat sich eine Grafik von Andreas Daniel Kraus (Zeichnung, Kassel) und Wilhelm Kuhl (Lithografie, Hanau) erhalten, die damals von Makler Isaak Dittmar verkauft wurde: „Der Sieg des Bürgerthums oder der Kampf der neuen mit der alten Zeit“. Auf ihr werden die politischen Ziele des liberalen Bürgertums verdeutlicht. So kompliziert, dass der Verleger auf der Rückseite erläuterte:

Der als Lenker der Staaten und Völker dargestellte und personifizierte „Weltgeist“ führt mittelst der freien konstitutionellen „Verfassungen“ den politischen „Staatenwagen der 5 Großmächte Europas“ – trotz allem Sträuben und Zurückhalten der „Absolutisten und Aristokraten“ zum „Tempel des Heils und des Friedens“, dessen Säulen das „Gesetz“, die „Gerechtigkeit“ und ein wechselseitiges „Vertrauen zwischen Fürst und Volk“ sind, und der von oben geschirmt ist durch den „Dom des wahren Christenthums“, welches auf „Aufklärung“ und „Gewissensfreiheit“ beruht. Unaufhaltsam eilen die Rosse des Staatenwagens, geleitet von den „Zügeln der Schwurgerichte, Volksvertretungen, Pressfreiheit und Bürgerbewaffnung“, dem erhabenen Ziele näher, und damit der Wagen auf seiner aufwärts gehenden Bahn nicht wieder zurückrolle in das hinter ihm liegende Grauen eines verfinsterten Zeitalters, – wo nur die drückenden Formen des „Feudalismus der „Zwinger der Inquisition“, die „Geisel des Despotismus“, und das „Erz der rohen Gewalt“ die Völker beherrschte und zu Boden schlug – wälzt der „Genius der Freiheit (unser Zeitgeist) durch seine gefeierten Organe (v. Rotteck, Jordan, Welker und von Raumer) 4 gewaltige Steine hinter die Räder. – Es ist der Kampf des Lichtes, der Wahrheit und der Vernunft, mit den Mächten der Finsternis, der Tyranney und des Despotismus, woraus endlich der Sieg des Bürgerthums, der Freiheit und des Rechtes – das Glück der Fürsten und Völker – hervorgeht, dessen Triumpf in den lichten Wolken des Himmels erwartet und gefeiert wird, durch die verklärenden Heroen der Vorzeit die glanzumstrahlten Namen eines Julius Cäsar, Marcus Aurelius, Carls des Grossen, Heinrich des Vogelers, Maximilian I., Martin Luther und Joseph II.

Im Grunde werden fortschrittliche Fürsten gelobt, reaktionäre Kräfte verachtet. Die kurhessische Verfassung von 1831 als Programm für eine aufgeklärte konstitutionelle Monarchie wurde vom Kurfürst bereits 1832 wieder „kassiert“. Bis zur Revolution, zur ersten Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und auch der Gründung des Deutschen Turnerbundes in Hanau sollte es noch bis 1848 dauern. Seit Frühjahr 2022 ist Hanau auch wegen des Wilhelmsbader Festes vor 190 Jahren Mitglied der AG Orte für Demokratiegeschichte.

 

FlublattAbbildung: „Der Sieg des Bürgerthums oder der Kampf der neuen mit der alten Zeit“
(©Fachbereich Kultur der Stadt Hanau)