Adlerfänge
Beim Besuch der erstmals 1329 erwähnten Alten Stadtpfarrkirche St. Johann Baptist am Obertor in Hanau-Steinheim kommt man immer wieder ins Staunen. Das vorzüglich restaurierte Gotteshaus hält interessante Überraschungen an Schnitzwerk bereit (die Strahlenmadonna hatten wir schon als Objekt der Woche #30 vorgestellt). Am Chorgestühl von 1514 fällt die Stirn ob eines „halben Adlers“ in Runzeln. Saßen dort im 16. Jahrhundert etwa schon Fans der Frankfurter Eintracht und beteten für Aufstiege und gegen Abstiege des Clubs in der Bundesliga?
Stoß und Fänge zieren den spitz zulaufenden Abschluss einer Betstuhlwange. Ein kompletter roter Adler, sprich das Wappen von Albrecht von Brandenburg, war dort aus technischen Gründen wohl nie aufgesetzt. Der „Unterbau“ des Greifvogels weist vielmehr verschmitzt auf den kommenden Mainzer Erzbischof hin, der am 9. April vom Domkapitel postuliert wurde, am 1. September von Papst Leo X. das Pallium erhielt und am 8. November 1514 in Mainz Einzug hielt. Mit im Dom dabei war Pfarrer Indagine, der dem Kardinal Ratgeber u.a. in astrologischen Dingen war (siehe OdW #104).
Albrecht von Brandenburg (1490-1545) stammte aus dem Haus Hohenzollern, wurde 1514 Erzbischof von Mainz, war damit zugleich Kurfürst und Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und erhielt 1518 den Titel Kardinal. Als ranghöchster katholischer Geistlicher propagierte er den Ablasshandel, gegen den Martin Luther 1517 seine 95 Thesen richtete. Sein Grab befindet sich im Mainzer Dom. Das Steinheimer Schloss diente Albrecht auf Reisen als Unterkunft. Sein Name lebt in der Brandenburgstraße weiter.
Text: Martin Hoppe
Fänge eines Adlers in der Alten Stadtpfarrkirche St. Johann Baptist Steinheim (© Fachbereich Kultur, Stadtidentität und Internationale Beziehungen der Stadt Hanau, Aufnahme: Martin Hoppe)