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„Moritz und das tanzende Bild“

Dieser Tage können wir 10 Jahre erfolgreichen Innenstadtumbau feiern. Die Erneuerung des Zentrums wurde durch den sog. Wettbewerblichen Dialog ermöglicht, ein erstmalig angewandtes europäisches Ausschreibungs- und Entwicklungsverfahren. Entstanden sind u. a. das Forum mit Kulturforum Hanau und ein neuer Omnibusbahnhof am Freiheitsplatz, Gastronomie am Marktplatz, sowie Wohnen und Grün an der Französischen Allee.

Zu einer bekannten Landmarke hat sich das Denkmal zu Ehren von Moritz Daniel Oppenheim (1799-1882) im öffentlichen Raum gemausert. Es gehört inzwischen zu den meistfotografierten Motiven in unserer Stadt. Das Monument der Bildhauer Robert Schad und Pascal Coupot wird auf einer Informationstafel am Forum Hanau ausführlich erklärt:

„Moritz Daniel Oppenheim wurde 1799 in der Hanauer Judengasse, der heutigen Nordstraße, geboren. In Hanau verbrachte er seine Kindheits- und Jugendjahre. Als die französische Besetzung ab 1806 die Freiheitsrechte einführte, konnte Oppenheim 1809 die Hohe Landesschule und bereits im Alter von 14 Jahren die Hanauer Zeichenakademie besuchen. Von 1817 bis 1819 absolvierte er ein Studium an der Kunstakademie in München. Zwischen 1820 und 1825 führten ihn Studienreisen nach Paris, Florenz, Rom und Neapel, bevor er sich schließlich in Frankfurt niederließ. 1828 heiratete Moritz Daniel Oppenheim Adelheid Cleve. Nach deren Tod ehelichte er 1839 Fanny Goldschmidt. Insgesamt hatte er sechs Kinder. 1882 starb Oppenheim als renommierter Maler in Frankfurt. Weltweit erregte Moritz Daniel Oppenheim Aufmerksamkeit mit seinem 1866 erstmals erschienenen Zyklus „Bilder aus dem altjüdischen Familienleben“.

Er porträtierte u.a. Mitglieder der Familie Rothschild, Fanny Hensel, Heinrich Heine und Ludwig Börne. Auf Empfehlung Goethes wurde ihm 1827 der Professorentitel der Weimarer Akademie verliehen. Oppenheim war der erste bedeutende jüdische Maler des 19. Jahrhunderts, der dem Gedanken der Emanzipation verbunden war. In seinem Leben und Werk setzte er sich engagiert mit der religiösen Tradition des Judentums auseinander und trat selbstbewusst für dessen Gleichberechtigung in Deutschland ein. Heute sind Oppenheims Werke in allen großen Museen vertreten. Das Historische Museum Hanau Schloss Philippsruhe und der Hanauer Geschichtsverein 1844 e.V. verfügen über eine bemerkenswerte Sammlung seiner Gemälde und Zeichnungen.

2006 regten der „Förderkreis Denkmal Moritz Daniel Oppenheim“ und der Gesprächskreis Kultur der Stadt Hanau an, dem Maler ein bleibendes Zeichen der Erinnerung zu setzen. Politische Beschlüsse wurden 2007 gefasst. Durch den Hanauer Stadtumbau ergab sich 2008 die Möglichkeit, einen internationalen Wettbewerb für ein Monument auf dem neuen Freiheitsplatz zu initiieren. Eine mit namhaften Fachleuten besetzte Jury und ein Bürgerbeirat empfahlen 2013 den Vorschlag „Moritz und das tanzende Bild“ des renommierten Stahlbildhauers Robert Schad zu realisieren, was Magistrat und Stadtverordnetenversammlung 2014 beschlossen. Das zweiteilige Kunstwerk wurde im Juni 2015 in der Mitte des Hanauer Stadtlebens platziert.

Die Idee des Bildhauers: „Bei einem abendlichen Spaziergang durch Hanau erscheint Moritz Daniel Oppenheim ein großes Bild, das zu tanzen scheint. Nichts ist darin, wie er es bisher kennt: Horizonte stürzen, Gegenstände fallen aus dem Bild heraus. Der Künstler nimmt die Erscheinung in Erinnerung mit sich und versucht zu malen, was er sieht. Erst fast 100 Jahre später gelingt es Malern Bilder zu gestalten, die keine Menschen, Gegenstände und Landschaften abbilden. Moritz war der erste, der ein solches Bild sah, ohne es je auf Leinwand gebannt zu haben.“

Das Tanzende Bild ist ein monumentaler, in den Raum gezeichneter Rahmen, mehrfach gebrochen, von diagonalen Horizonten, mit einer Säule und einer ellipsenartigen Form durchzogen. In seiner ausladenden Form und seiner gewagten Statik bildet es einen diametralen Partner zum biedermeierlich gekleideten Moritz und reagiert zugleich auf die strenge Architektur der Stadtloggia. Dass Moritz sich selbstbewusst dem Neuen und Unbekannten stellt, ist Aufforderung an uns, es ihm gleich zu tun. Nur in der selbstbewussten Auseinandersetzung auch mit scheinbar unüberwindlichen Hürden können scheinbar unlösbare Aufgaben gelöst werden und sich die Gesellschaft weiterentwickeln. Dafür ist ein unaufgeregter Blick nach vorne, wie ihn Oppenheim praktiziert, eine Grundvoraussetzung. Der gekippte Rahmen ist transparent, verstellt den Raum nicht und schreibt sich in ihn hinein. Beim Vorbei- und Hindurchgehen vermitteln sich den Betrachtern wechselnde Perspektiven, die dynamisieren. Trotz Tonnenschwere wirkt die Skulptur tänzerisch leicht.

Aus der Begründung der Jury: „Robert Schad setzt durch das Denkmal im Dialog zwischen figürlicher und abstrakter Gestaltung ein urbanes und selbstbewusstes Stadtzeichen. In der Gestaltung besteht ein ideales Zusammenspiel von klar gegliederter Gebäudefassade und kraftvoller, aber zugleich verspielter Skulptur. Das Denkmal fügt sich organisch in das architektonische Umfeld ein. Es entsteht ein offener Denk- und Kunstraum. Das Kunstwerk kann sofort erfasst werden und gibt zugleich der Phantasie der Betrachter/innen freien Raum.“

Die Kosten für das Denkmal wurden komplett durch Spenden/Sponsoring finanziert: BPD Immobilienentwicklung GmbH / Evangelischer Arbeitskreis Christen und Juden Hanau / Evangelische Landeskirche Kurhessen-Waldeck / Förderkreis Denkmal Moritz Daniel Oppenheim / Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hanau e.V. / Grünbau KG / Hanauer Geschichtsverein 1844 e.V. / HBB Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH / Hebeisen Einrichtungs GmbH / Interessengemeinschaft Hanauer Altstadt e.V. / Jüdische Gemeinde Hanau / Mainova AG / Malerbetrieb Geibel GmbH / Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH / Nordstraßengemeinschaft / Quartier pour vivre – Lebensquartier GmbH / RKW Rhode Kellermann Wawrowsky – Architektur + Städtebau / Dr. Rolf Ruthardt / Stadtwerke Hanau GmbH / Stiftung der Sparkasse Hanau / Terramag GmbH / Ursula und Wilhelm Winterstein / Wolf Liegenschaften GbR und Kleinspender/innen

Moritz Daniel Oppenheim: Entwurf von Pascal Coupot, Cirey/Frankreich · Gießerei Karl Casper/Remchingen, Stahlguss, 2,20m, 1,7 t; Tanzendes Bild: Entwurf von Robert Schad, Larians/Frankreich, Werkstatt INDIMESA, Maia/Portugal · Vierkant-Cortenstahl (240 mm), 11 m hoch, 8 m breit, 3 m tief, 11 t

Text: Martin Hoppe

 

Collage vom Aufbau des Oppenheim-Denkmals auf dem Hanauer Freiheitsplatz 2015Foto: Collage vom Aufbau des Oppenheim-Denkmals auf dem Hanauer Freiheitsplatz 2015 (© Fachbereich Kultur der Stadt Hanau, Medienzentrum Hanau / Bildarchiv, Aufnahmen: Roland von Gottschalck)