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#149

Hanauer Maus

Hausmaus, Feldmaus – aber "Hanauer Maus". Schon mal gehört? Von einem putzigen Lebewesen weit gefehlt. Es handelt sich um eine „Wasserfüll- und Entleerarmatur für Traktorreifen“. Bestätigt wurde der Fund von den Schlepperfreunden Klein-Auheim im RadWerk: „kennen wir, aber dass das Ding so heißt…“.

Aus der Bedienungsanleitung: Das Entlüftungsventil mit Innengewinde und Entlüftungsschlauch (der Mauseschwanz) wird auf das Reifenventil geschraubt. Über die Schlauchtülle der Füllarmatur können Sie einen ½ Zoll Wasserschlauch anschließen. Warum Wasser in Traktorreifen füllen? Bei Arbeiten mit dem Frontlader kann es passieren, dass der Traktor die Haftung an der Hinterachse verliert. Anstelle von Zusatzgewichten, welche die Hinterachse belasten, empfehlen wir Wasser in die Traktorreifen zu füllen. Der Schwerpunkt verlagert sich durch das Wasser im Traktorreifen nach unten. Somit verringert sich auch die Kippgefahr des Traktors bei Schrägfahrten an Hängen. Zur Funktionsweise: Während Sie Ihren Schlepperreifen mit Wasser befüllen, kann Luft parallel durch das Entlüftungsventil entweichen. Sobald Wasser aus der Öffnung austritt, ist der Befüllvorgang abgeschlossen. Wird die Hanauer Maus entfernt, verbleiben somit die erforderlichen 25 % Luft im Reifen.

Zum Namen: Er hat wirklich etwas mit unserer Stadt zu tun. Richard Steiff, ein Neffe der Plüschtiererfinderin Margarete Steiff, begann im Zuge des Fahrrad-Booms 1920 die industrielle Massenproduktion von Fahrrad-Ventilen (!). Die von ihm aufgebaute Firma Alligator übernahm 1998 die EHA-Ventilfabrik W. Fritz GmbH & Co. KG in Mühlheim am Main.

Und jetzt kommt's: EHA ist die Abkürzung für "Erste Hanauer Präzisions-Schraubenfabrik". Sie wurde 1931 von Heinrich Maier jun. und Wilhelm Fritz in der Hanauer Wredestrasse 4 (heute Friedberger Straße 9) unter dem Namen "Erste Hanauer Präzisionsschrauben- und Fassondreherei" gegründet. Als Spezialität werden „Federbolzen für Schuhleisten, Drehteile nach Vorlage oder Dinormen (sic!) und Autopneuventile“ genannt. 1939/1940 zog der Betrieb nach Mühlheim an die Lämmerspieler Straße, um zu expandieren; er war kriegswichtig. Nach 1945 fertigten zeitweise 400 Beschäftigte bis zu 10 Millionen Pkw-Ventile monatlich für 65 Länder (u.a. seit 1956 sog. Snap-In Ventile mit patentiertem Gummierungsverfahren). Durch die Übergabe an Alligator 1998 wurde die Produktion sukzessive nach Giengen und u. a. nach Polen verlegt. Auf dem 2004 aufgelassenen Mühlheimer Betriebsgelände von rd. 18.000 qm befinden sich nach Rückbau und Sanierung inzwischen Garagenanlagen und mittelständische Betriebe.

Die „Hanauer Maus“ ist also nach dem Standort der Gründungsfirma = Hanau benannt! Dass der Aufstieg hier startete liegt auch an Dunlop (Reifen), den Bauer-Werken in Klein-Auheim (Fahrräder und Mopeds), Bautz in Großauheim (Traktoren) und dem Militärstandort. Mit den patentierten EHA-Ventilen steckt somit noch heute in fast jedem Auto-, Fahrrad- und Traktorreifen ein kleines - aber ungemein wichtiges - Stück Hanau. Wieder was gelernt ;-)

Alligator / Wegmann automotive haben uns für die Hanauer Museumssammlungen ein Exemplar geschenkt. Herzlichen Dank.

 

149 Hanauer MausAbbildung: „Hanauer Maus“ der Firma Wegmann automotive GmbH
(©: Fachbereich Kultur der Stadt Hanau, Martin Hoppe)